Die Zeitzeugin Ruth L. David an der Melibokusschule

Datum: 
Freitag, 23. September 2011

Am Freitag, dem 23.09.2011 durften die neunten Gymnasialklassen mehr über das Leben von Ruth David erfahren. Sie wurde begleitet von Frau Renate Knigge-Tesche von der Landeszentrale für politische Bildung,die sie bei der Lesung aus ihrem Buch „Ein Kind unserer Zeit“ unterstützte.
Ruth David wurde 1929 als Tochter des jüdischen Zigarrenfabrikanten Moritz Oppenheimer und seiner Frau Margarete in Fränkisch-Crumbach geboren und war gerade vier Jahre alt, als Hitler an die Macht kam. Alles veränderte sich. Hakenkreuz-Fahnen wurden aufgehängt und ihnen wurden immer mehr Rechte genommen.Die Einschulung fand 1935 statt, und sogar in den Schulen hatten jüdische Kinder weniger Rechte. Als z.B.der Lehrer in die Klasse kam, mussten die Schüler aufstehen und den Arm zum Hitler-Gruß heben. Frau David wollte das ebenfalls tun, doch das verbat man jüdischen Schülern. Nach einem halben Jahr musste sie die Schule verlassen, da ihr untersagt wurde, eine Volksschule zu besuchen. Währenddessen wurden Juden auch immer mehr öffentlich stark gedemütigt. Die Eltern wollten nach Amerika auswandern, aber durch die hohe Anzahl an Juden, die auswandern wollten, mussten sie warten.Allerdings schaffte es ihr älterer Bruder, nach Argentinien auszuwandern. Dort übernahm er einen Bauernhof,denn er sollte alles für die Ankunft der übrigen Familie vorbereiten.
Im Ort Höchst wurden in einer Synagoge jüdische Kinder jeden Alters unterrichtet. Der Unterricht fand in einem kleinen Raum statt, der wenig Platz bot. Die Kinder fuhren mit einem zum „Schulbus“ umgebauten Auto zu dieser Synagoge. Viele Odenwälder bewarfen diesen mit Steinen, doch eines Tages ereignete sich ein besonders schrecklicher Zwischenfall. Ein Mann blockierte die Straße und schlug die Fenster des umgebauten Schulbusses ein. Dies war der erste Vorfall, bei dem Frau David niemand helfen konnte, nicht einmal ein Erwachsener.
In der Reichspogromnacht wurde sie von Lärm geweckt.Jemand schlug die Tür mit einer Axt ein. Außerdem waren unzählige Schreie zu hören. Frau David floh mit ihrerSchwester in den Hof und sie versteckten sich in einemAuto. Als sie in die Wohnung zurückkamen, waren sie entsetzt. Nazis hatten die Einrichtung zerstört, den Vater und den Bruder zusammengeschlagen und ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht, die Tante geschlagen und sogar den schwerbehinderten, wehrlosen Onkel mit Rollstuhl die Treppe hinuntergestoßen. Die Familie versuchte daraufhin, in Mannheim unterzutauchen. Frau Davids Mutter arbeitete dort als Leiterin des jüdischen Waisenhauses. Die Eltern versuchten alles, damit ihre Kinder auswandern konnten. Als einzigeMöglichkeit blieb England, da man weder Pass noch Visum für eine dortige Einreise benötigte.Ruth David kam als Erste mit einem Kindertransport nach England im Alter von zehn Jahren, danach ihre Schwester Hannah.
Am Bahnhof wurde sie zum Abschied von ihrer Mutter gesegnet. Dieses Gebet wurde in der Melibokusschule bei der Lesung von Frau Davids Begleiterin vorgetragen. Ein sehr rührender Moment für alle Anwesenden.
Der einzige Kontakt von England zu ihren Verwandten waren nur Briefe. Als drei Monate nach ihrer Ankunft der Krieg ausbrach, wurde der Briefkontakt zwischen Deutschland und England verboten. Deswegen musste Ruth die Briefe an eine holländische Bekannte adressieren, damit diese die Briefe weiter nach Deutschland leitete.
Ihre Eltern und die zwei jüngsten Geschwister brachte man in das südfranzösische Lager Gurs. Allerdings gelang es französischen Widerstandskämpfern, die beiden Kinder zu verstecken. Die letzte Fahrt der Eltern war 1942 nach Auschwitz, wo sie umgebracht wurden. Als der letzte Brief der Mutter, der all ihre Sorgen und Wünsche beschreibt, vorgelesen wurde, waren wir alle tief berührt. Dieser Brief war der Höhepunkt der Schilderungen.
Wir bedanken uns sehr für diesen bewegenden Einblick in die Lebensgeschichte von Frau David und empfehlen es jedem weiter, die Gelegenheit zu einer solchen Begegnung zu nutzen. Wir hoffen sehr, dass Frau David auch im nächsten Jahr zu uns in die Melibokusschule kommt.

Rolf Krichbaum

Impressum Entwicklung und Umsetzung: Computer Development & Consulting